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7.1 Besondere Eigenschaften des Zustandsreglers

Eine andere Vorgehensweise bei der Lastkran- oder Balance-Regelung sieht den Einsatz zweier Reglerkreise vor, von denen einer für die Positionierung des Wagens und einer für die Ausrichtung des Pendelstabes zuständig ist. Diese Methode wird auch beim Einsatz der Fuzzy-Technologie verwendet [4]. Zu den besonderen Eigenschaften des Zustandsreglers gehört die Anschaulichkeit des Regelvorganges. Da die Prozeßdaten mit einem konstanten Faktor multipliziert und anschließend summiert werden, wird sofort der Einfluß von Änderungen der Prozeßdaten auf die Stellgröße deutlich (Abb. 19: Kurvenverläufe der errechneten Prozeßgrößen).

Abb. 19: Kurvenverläufe der errechneten Prozeßgrößen
Abb. 19: Kurvenverläufe der errechneten Prozeßgrößen

Dieses führt allerdings auch dazu, daß sich Störungen bei der Meßwerterfassung - zum Teil noch erheblich verstärkt - direkt auf die Stellgröße auswirken. Hinzu kommen die Ungenauigkeiten bei der Berechnung der Geschwindigkeiten durch numerische Ableitung.
Die "gestörte" Stellgröße führt zu einem ungünstigen Verhalten des Pendelwagens (ruckartige Bewegungen), welches wiederum Meßfehler erzeugt. Abhilfe wurde durch die Konstruktion des stabileren Pendelwagens und den Einsatz von Filtern in der Regelungssoftware geschaffen.
Eine interessante Erscheinung konnte bei der Balance-Regelung beobachtet werden. Wurde der Pendelstab beim Start nicht exakt senkrecht gehalten, führte dieses zu einer bleibenden Regelabweichung bezüglich der Wagenposition. Die Erklärung dafür steckt im Prinzip des Zustandsreglers: Wenn der Pendelstab im Moment der Initialisierung nicht exakt senkrecht nach oben gerichtet ist, dann wird zu dem Zeitpunkt, zu dem durch den Balanciervorgang der Pendelstab senkrecht steht, ein Winkel ungleich Null gemessen. Der Zustandsregler erkennt, daß der Pendelstab senkrecht steht (s. u.) und erzeugt er eine Stellgröße von annähernd Null. Da sich die Stellgröße aus der Summe der Produkte der Prozeßdaten multipliziert mit den konstanten Reglerkoeffizienten errechnet, muß das durch den falschen Winkelwert erzeugte Ungleichgewicht ausgeglichen werden. Dieses wird dadurch erreicht, daß der Wagen nicht exakt seine Sollposition einnimmt. Die dabei entstehende Abweichung, multipliziert mit dem zugehörigen Reglerkoeffizienten, ergibt denselben Betrag wie das Produkt aus Winkelwert und dem entsprechendem Reglerkoeffizienten. Durch die unterschiedlichen Vorzeichen dieser Werte ist das Gleichgewicht wiederhergestellt und das System befindet sich in einem stationären Zustand.
Bleibt die Frage zu klären, warum der Zustandsregler nicht versucht, die Position des Pendelstabes so zu beeinflussen, daß der Winkel den Wert Null annimmt. Offensichtlich ist dieses nicht das vorrangige Ziel des Zustandsreglers. Betrachtet man die Reglerkoeffizienten, wird einem die starke Gewichtung der Pendelgeschwindigkeit offenbar. Der Zustandsregler versucht nicht, die Pendelposition auf den Wert Null zu bringen. Vielmehr liegt die Priorität bei der Geschwindigkeit, mit der sich der Pendelstab bewegt. Ist diese annähernd Null, so steht das Pendel senkrecht. Ob dieses "senkrecht" einen gemessenen Winkel ungleich Null bedeutet, spielt nur eine untergeordnete Rolle.

Besonders deutlich wird diese Eigenschaft des Zustandsreglers, wenn der Versuchsaufbau an einer Seite angehoben wird (Abb. 20: Versuchsaufbau geneigt). Der Pendelwagen bewegt sich zur niedrigeren Seite der Gleitschiene hin. Allerdings nicht, um den Gesetzen der Schwerkraft zu folgen, sondern mit dem Ziel, den gemessenen Winkelwert auszugleichen - wie oben beschrieben. Abb. 20: Versuchsaufbau geneigt
Abb. 20: Versuchsaufbau geneigt
Währenddessen wird der Pendelstab weiter balanciert. Er bleibt senkrecht, bezogen auf das Weltkoordinatensystem (WKS), während er bezogen auf das Koordinatensystem des Versuchsaufbaues (VKS) eine geneigte Position einnimmt. Solange der Linearitätsbereich (ca. ±1 rad) des Pendelwinkels nicht verlassen wird und dem Pendelwagen innerhalb des gültigen Verfahrbereiches genügend Strecke zum Ausgleichen des Winkelwertes bleibt, kann der Versuchsaufbau beliebig geneigt werden.

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7.2 Vergleich von Simulation und Realität

Um die Simulationsergebnisse mit der Realität vergleichen zu können, wurden mit der TUNING-Version der Regelungssoftware die Prozeßgrößen während der Regelung aufgezeichnet. Somit lassen sich sowohl für die Lastkran- als auch für die Balance-Regelung das Prozeßverhalten bei einem Sollwertsprung darstellen. Zur besseren Übersicht werden nur drei Größen (Sollwert, Wagen- und Pendelposition) als Kurvenverläufe dargestellt.
Die dazugehörigen Kurvenverläufe der Simulationen wurden mit den schon beschriebenen Blocksystemdateien unter WinFACT erzeugt. Allerdings erfolgten einige Änderungen: Die Sollwertsprünge der Simulation wurden denen der Realität angepaßt. Außerdem wurden die Prozeßdaten nicht visualisiert, sondern durch die dafür vorgesehenen Ausgangs-Blöcke in Dateien gespeichert. Bei den Darstellungen der realen Prozeßgrößen zeigen die Kurvenverläufe der Pendelposition deutlich die Störungen, mit denen die Messung dieser Größe behaftet ist. Gerade bei der Balance-Regelung, bei der dieser Wert großen Einfluß auf die Stellgröße hat, macht sich dieser Umstand auch bei der Wagenposition bemerkbar. Um so erstaunlicher ist die frappierende Ähnlichkeit der jeweiligen Kurvenverläufe (Simulation/Realität). Vor allem die Lastkran-Regelung zeigt in der Realität (Abb. 21: Kurvenverläufe der realen Lastkran-Regelung) exakt das nach der Simulation (Abb. 22: Kurvenverläufe der simulierten Lastkran-Regelung) zu erwartende Verhalten.
Bei der Balance-Regelung (Abb. 23: Kurvenverläufe der realen Balance-Regelung) sind trotz der Filterung der Meßwerte immer noch starke Störungen zu erkennen. Dadurch entspricht das Verhalten nicht exakt den simulierten Daten (Abb. 24: Kurvenverläufe der simulierten Balance-Regelung).

Abb. 21: Kurvenverläufe der realen Lastkran-Regelung
Abb. 21: Kurvenverläufe der realen Lastkran-Regelung

Abb. 22: Kurvenverläufe der simulierten Lastkran-Regelung
Abb. 22: Kurvenverläufe der simulierten Lastkran-Regelung

Abb. 23: Kurvenverläufe der realen Balance-Regelung
Abb. 23: Kurvenverläufe der realen Balance-Regelung

Abb. 24: Kurvenverläufe der simulierten Balance-Regelung
Abb. 24: Kurvenverläufe der simulierten Balance-Regelung

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